Eine ungemütliche Wahrheit
Perfektionismus wird Dir oft als große Tugend verkauft, als etwas, das Dich antreiben soll, besser zu werden, immer höchste Qualität zu liefern und das Beste aus Dir herauszupressen. Du hast das sicher schon in vielen Coachings und Kursen gehört.
Doch diese vermeintliche Tugend kann sehr schnell zum Fluch werden. In Wahrheit zerstört nämlich Perfektionismus Dein Leben – und das ist nicht nur eine überspitzte Behauptung von mir, sondern eine Tatsache, die sich in vielen Bereichen nachweisen lässt.
Lass uns also diese These aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, damit Du verstehen lernst, warum Perfektionismus mehr schadet als nützt.

1. Perfektionismus als Angstmaschine
Die Angst vor dem Scheitern
Eine der stärksten Antriebskräfte für Perfektionisten ist die Angst. Wenn Du Perfektionist bist, wirst Du das natürlich glatt von Dir weisen. Es ist nicht eine diffuse Angst vor allem möglichen, sondern es ist die Angst vor dem Scheitern, vor Kritik, vor Ablehnung.
Diese Angst nimmt bei vielen Perfektionisten so überhand, dass sie jede Handlung lähmt.
Du kennst das vielleicht: Du willst etwas Großes starten – ein neues Projekt, eine berufliche Veränderung oder eine kreative Idee – aber Du zögerst.
Warum? Weil die Vorstellung, dass das Ergebnis nicht perfekt sein könnte, so beängstigend ist, dass Du lieber gar nicht erst anfängst.
Du betreibst mit Deinem Perfektionismus in dieser Hinsicht Selbstsabotage. Dein Perfektionismus zwingt Dich, Dich ausschließlich auf das Worst-Case-Szenario zu fokussieren, anstatt mutig zu sein und Risiken einzugehen, zu lernen, während Du Deinen Weg gehst. Die Angst, nicht perfekt zu sein, hält Dich davon ab, überhaupt loszulegen..
Perfektionismus und das Selbstwertgefühl
Perfektionisten besitzen oft ein niedriges Selbstwertgefühl. Das ist nicht immer so offensichtlich zu erkennen, da viele Perfektionisten nach außen hin selbstbewusst und kompetent wirken.
Aber unter der funkelnden Oberfläche lauert bei vielen oft die Angst, nicht gut genug zu sein. Diese Angst maskieren sie durch ihren Perfektionismus, der somit als Schutzschild gegen die ständige Selbstkritik dient.
Doch das Problem ist, dass dieser Schutzschild löchrig ist. Selbst wenn Du etwas Großartiges erreichst, ist der Perfektionist in Dir selten zufrieden. Es gibt immer etwas, das besser hätte gemacht werden können. Das Ergebnis: Ein nie endender Kreislauf aus Selbstzweifeln und Selbstkritik, der Dein Selbstwertgefühl weiter untergräbt.
Stimmt diese Aussage? Krame mal in deiner Vergangenheit nach Situationen, wo Dir genau das passiert ist und analysiere, was damals abgelaufen ist. Vielleicht steckst Du auch aktuell in einer Situation, in der Dich Dein Perfektionismus zumindest behindert, wenn nicht gar blockiert.
2. Perfektionismus und Zeitmanagement: Der Feind der Produktivität
Die Falle der Prokrastination
Ein besonders paradoxer Aspekt des Perfektionismus ist, dass er oft zu Prokrastination, also zur Aufschieberitis führt. Das mag Dir seltsam erscheinen, aber viele Perfektionisten sind tatsächlich Meister darin, Dinge aufzuschieben.
Warum? Weil sie glauben, dass sie nur anfangen sollten, wenn sie tausendprozentig sicher sind, dass sie etwas perfekt machen werden. Wie Du Dir vorstellen kannst und wahrscheinlich aus eigener Erfahrung weißt, kommt dieser Moment kommt allerdings sehr selten bis nie, und so bleibt vieles unerledigt.
Du denkst bestimmt auch immer wieder ständig über etwas nach, planst, optimierst, aber setzt es nie in die Tat um. Dein Perfektionismus lässt Dich ewig in der Vorbereitungsphase verharren, ohne dass Du je in die Umsetzung kommst.
Damit hast Du die Garantie, dass Du Deine Zeit verschwendest und wichtige Chancen verpasst.
Die Illusion der Effizienz
Perfektionisten sind davon überzeugt, dass sie viel effizienter sind als der Rest, weil sie sich so intensiv mit Details beschäftigen. Aber in Wirklichkeit verringert dieser Fokus auf Perfektion die Effizienz dramatisch.
Immer wieder zitiert und immer wieder richtig daher auch hier die altbekannte 80/20-Regel: 80 Prozent der Ergebnisse werden mit 20 Prozent des Aufwandes erzielt. Die restlichen 80 Prozent des Aufwandes, die ein Perfektionist investiert, führen nur zu einer marginalen Verbesserung des Ergebnisses.
Durch das ständige Streben nach Perfektion investiert der Perfektionist viel zu viel Zeit und Energie in Bereiche, die für den Gesamterfolg unerheblich sind. Stattdessen könnten seine Ressourcen in andere Projekte oder Aktivitäten fließen, die möglicherweise eine viel größere Wirkung haben.

3. Perfektionismus und Beziehungen: Eine zerstörerische Kraft
Unerfüllbare Erwartungen
Perfektionisten machen sich nicht nur ihr eigenes Leben schwer, sondern auch das Leben der Menschen um sie herum. Perfektionisten neigen ständig dazu, auch an andere Personen hohe oder sogar unerfüllbare Erwartungen zu stellen.
Das führt zwangsläufig dazu, dass Beziehungen – sei es im Beruf, in der Familie oder in Freundschaften – extrem belastet werden.
Wenn Du es mit einem Perfektionisten zu tun und ständig das Gefühl hast, dass Du nicht gut genug bist, führt das bei Dir zu Frustration und Enttäuschung. Niemand kann dauerhaft den unrealistischen Standards eines Perfektionisten gerecht werden. Das führt zu Konflikten, Entfremdung und sogar zum Verlust von Beziehungen.
Die Ironie dabei ist: Der Perfektionist begreift gar nicht, was passiert. Er ist unfähig zu verstehen, warum andere seine extremen Standards nicht teilen können.
Die Angst vor Verletzlichkeit
Perfektionisten haben wie jeder andere Mensch auch eigene Schwächen und Fehler. Der Unterschied ist, dass sie nicht in der Lage oder willens sind, diese zu akzeptieren.
Diese Haltung übertragen sie dann oft auf andere. Zwischenmenschliche Beziehungen leben jedoch von Authentizität und Verletzlichkeit.
Wenn Du Perfektionist bist und immer versuchst, perfekt zu sein und keine Schwächen zu zeigen, wirst Du kaum tiefgehende und echte Verbindungen zu anderen Menschen aufbauen können.
Du wirst Dich über kurz oder lang durch diese Angst vor Verletzlichkeit emotional distanzieren, um Dich vor möglichen Verletzungen zu schützen.
Doch Du isolierst Dich damit selbst von wahrer menschlicher Nähe und Verbundenheit.
4. Perfektionismus und Kreativität: Der stille Killer
Das Gift der Selbstzensur
Kreativität lebt von Experimenten, von Fehlern, von unvollkommenen ersten Entwürfen.
Perfektionismus erstickt diese kreative Freiheit im Keim. Wenn Dein Fokus von Anfang an darauf liegt, dass alles perfekt sein muss, wirst Du Dir nie den kreativen Raum geben, einfach mal etwas auszuprobieren, zu scheitern und daraus zu lernen.
Perfektionismus ist Selbstzensur.
Ideen, die vielleicht großes Potenzial haben werden nie umgesetzt, weil sie schon im Kopf erstickt werden. Die Angst vor Kritik oder davor, dass das Ergebnis nicht den eigenen hohen Standards entspricht, lässt Dich lieber gar nichts sagen oder tun.
Das Ergebnis? Ein Leben voller verpasster Chancen und unausgelebter Kreativität.
Die Paradoxie des Perfektionismus in der Kunst
Interessanterweise findet man Perfektionismus oft in der Welt der Künste – und doch ist er dort gerade besonders destruktiv.
Große Kunst entsteht selten aus dem Drang zur Perfektion, sondern aus dem Mut, etwas Neues zu wagen, das Risiko des Scheiterns einzugehen und dabei etwas Einzigartiges zu schaffen. Viele der größten Künstler der Geschichte waren überhaupt keine Perfektionisten; sie waren Innovatoren, die sich über Normen hinwegsetzten und ihre eigenen Regeln aufstellten.
Wenn Du also ein kreativer Mensch bist und Perfektionismus Dein Denken und Leben beherrscht, ist die Gefahr groß, dass Du Deine innere kreative Stimme verlierst und in der Mittelmäßigkeit versinkst.
Perfektionismus ist der Feind von Innovation.
5. Perfektionismus und Gesundheit: Ein ungesunder Kreislauf
Stress und Burnout
Ein Leben im Zeichen des Perfektionismus führt unweigerlich zu hohem Stress. Die ständige Selbstkritik, die Angst vor Fehlern und das unerbittliche Streben nach unerreichbaren Zielen setzen Deinen Körper und Geist unter enormen Druck.
Langfristig kannst Du dadurch ernsthafte gesundheitliche Probleme bekommen: Schlaflosigkeit, chronische Erschöpfung, Angststörungen und Depressionen.
Der klassische Burnout ist ein häufiges Ergebnis von Perfektionismus. Der Körper funktioniert nur eine begrenzte Zeit unter solchem Druck, bevor er zusammenbricht.
Viele Perfektionisten merken noch nicht einmal, wie sehr sie sich selbst schaden. Sie fordern sich immer mehr, bis es zu spät ist und sie sich in einem Zustand der totalen Erschöpfung wiederfinden.
Der Drang zur Selbstoptimierung
Jetzt müssen wir einmal eine klare Abgrenzung schaffen.
In unserer modernen Gesellschaft, in der Selbstoptimierung ganz weit oben angesiedelt ist wird Perfektionismus oft mit einer gesunden Selbstoptimierung gleichgesetzt.
Die ständige Jagd nach dem perfekten Körper, der idealen Ernährung oder der besten Work-Life-Balance, ausgelöst durch vor allem Social Media-Konsum ist jedoch ein weiterer Aspekt der den Perfektionisten krank machen kann.
Anstatt Dich in Deinem Körper und Leben wohlzufühlen, hast Du ständig das Gefühl haben, dass Du nicht gut genug bist, dass es immer noch etwas gibt, das verbessert werden muss.
Dieser ständige Wahnsinn führt nicht nur zu körperlicher und psychischer Erschöpfung, sondern raubt Dir auch die Freude am Leben.
Während Du ständig damit beschäftigt bist, Dich selbst zu perfektionieren, vergisst Du, das Leben zu genießen und Dich an den kleinen Dingen zu erfreuen.
6. Handlungsempfehlungen: Wie Du dem Perfektionismus entkommen kannst
Akzeptiere Deine Unvollkommenheit
Der erste Schritt, um dem Perfektionismus zu entkommen, ist Akzeptanz.
Akzeptiere, dass Du nicht perfekt bist und es auch nie sein wirst – und dass das vollkommen in Ordnung ist. Unvollkommenheit in gewissem Maß ist menschlich und macht Dich einzigartig.
Befreie Deine Schultern von der enormen Last des Perfektionismus und lerne, Deine Schwächen zu akzeptieren und mit ihnen zu leben.
Du wirst erstaunt sein, wie leicht das Leben plötzlich ist.
Setze realistische Ziele
Perfektionisten setzen sich oft völlig unrealistische Ziele.
Die Nichterreichung führt dann unweigerlich zu Enttäuschung und Frustration.
Formuliere stattdessen realistische und erreichbare Ziele. Konzentriere Dich auf den Fortschritt anstatt auf das Endergebnis. Du bekommst damit das Gefühl, voranzukommen, selbst in kleinen Schritten, und das kann extrem befriedigend sein und Dich motivieren, weiterzumachen.
Die Fehlerakzeptanz
Fehler sind unvermeidlich und sind oft die besten Lehrer. Allerdings nur, wenn man sich nicht ständig wiederholt. Fehler sind kein Scheitern, sondern die Möglichkeit, zu lernen, und dich zu verbessern.
Alle Erfahrungen, seien sie gut oder schlecht, tragen zu Deinem Wachstum bei.
Das „Gut genug“- Mindset
Statt nach Perfektion zu streben, entwickle ein „Gut genug“- Mindset.
Stell Dir immer wieder die Frage: Ist das, was ich getan habe, gut genug, um die Aufgabe zu erfüllen? Wenn die Antwort ja ist, dann hör auf, weiter zu optimieren. Du wirst feststellen, dass diese Einstellung Dir erlaubt, Aufgaben schneller abzuschließen und Dich auf die wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren.
Sei gnädig
Perfektionisten sind oft selbst ihre härtesten Kritiker.
Lass das! Behandle Dich selbst so, wie Du einen guten Freund behandeln würdest. Sei gut und nachsichtig zu Dir selbst, besonders in schwierigen Zeiten. Selbstmitgefühl hilft Dir, Dich von der ständigen Selbstkritik zu lösen und ein gesundes, positives Selbstbild zu entwickeln.

Fazit: Werde zum „Gut genug“ Menschen
Perfektionismus ist kein wirkliches Zeichen von Stärke, sondern eine überaus destruktive Kraft, die Dein Leben in vielerlei Hinsicht beeinträchtigt.
Die Erkenntnis, dass Du niemals perfekt sein wirst – und dass das absolut in Ordnung ist – ebnet Dir den Weg zu einem erfüllteren, glücklicheren Leben.
Befreie Dich von der Tyrannei des Perfektionismus, öffne Dich für neue Möglichkeiten, mehr Kreativität, tiefere Beziehungen und vor allem mehr Lebensfreude.
Am Ende des Tages ist es immer besser, ein „Gut genug“ Mensch zu sein, der mit seinen Unvollkommenheiten im Reinen ist, als ein Perfektionist, der bis an sein Lebensende immer mit sich selbst hadert und nie wirklich zufrieden ist.
Hinweis: Einige der in diesem Artikel enthaltenen Links sind Affiliatelinks. Das bedeutet, dass ich eine Provision erhalte, wenn du über diese Links etwas kaufst, ohne dass dir zusätzliche Kosten entstehen. Diese Provision hilft dabei, diesen Blog zu unterstützen. Vielen Dank für deine Unterstützung!